Arktis-Expedition: Das Forschungsschiff "Polarstern" soll im Eis einfrieren

Internationale MOSAiC-Expedition startet im Herbst 2019

Es wird die größte arktische Forschungsexpedition aller Zeiten sein: Im September 2019 wird der deutsche Forschungseisbrecher "Polarstern" vom norwegischen Tromsø aus in die Arktis starten und ein Jahr lang durch das arktische Eis driften. Unterstützt von anderen Eisbrechern und Flugzeugen, werden insgesamt 600 Menschen aus 17 Ländern an der Expedition teilnehmen. Wissenschaftler/innen werden mit den Daten arbeiten, um die Klima- und Ökosystemforschung auf ein neues Niveau zu heben. Geleitet wird die Mission vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI).

Vor 125 Jahren brach Fridtjof Nansen mit seinem Segelschiff "Fram" zur ersten Drift-Expedition dieser Art auf. Aber eine Expedition wie die jetzt geplante hat es noch nie gegeben: MOSAiC bringt zum ersten Mal einen modernen Forschungseisbrecher, der mit wissenschaftlichen Instrumenten beladen ist, im Winter in die Nähe des Nordpols. Vier weitere Eisbrecher werden zur logistischen Unterstützung eingesetzt. Eine Landebahn wird speziell für Versorgungsflüge und zwei Forschungsflugzeuge eingerichtet. Außerdem werden Hubschrauber, Raupenfahrzeuge und Schneemobile zum Einsatz kommen. Diese aufwendige Polarmission ist notwendig, um in der Region dringend benötigte Daten für die Klimaforschung zu sammeln, die im Winter kaum zu erreichen sind. Diese werden der Menschheit neue Einblicke in die Austauschprozesse zwischen Ozean, Eis und Atmosphäre ermöglichen.

"Die Erkenntnisse der MOSAiC-Expedition werden unser Wissen über die Arktis auf ein neues Niveau heben. Wir brauchen diese Daten dringend, um die Auswirkungen des globalen Klimawandels besser zu verstehen und unsere Prognosen zu verbessern", sagt Bundesforschungsministerin Anja Karliczek. Mit dem AWI verfügt Deutschland über ein weltweit führendes Zentrum der Polarforschung mit langjährigen internationalen Kontakten. "Dem AWI ist es gelungen, weltweit führende arktische Forschungseinrichtungen in diesem einzigartigen Projekt zusammenzubringen," so die Ministerin weiter. Auch auf politischer Ebene gibt es eine internationale Zusammenarbeit im Bereich der Arktisforschung. Unter dem Motto "Arctic Science, Challenges and Joint Actions" werden Deutschland, die Europäische Kommission und Finnland im Herbst 2018 in Berlin die zweite Wissenschaftsministerkonferenz zur Arktisforschung ausrichten.

Bei der MOSAiC-Expedition bestimmt allein die Naturgewalt - das driftende Meereis - die Route, auf der das Forschungsschiff "Polarstern" jenseits des Polarkreises unterwegs sein wird. Eisbrecher aus Russland, China und Schweden werden die Expedition unterstützen und Personal austauschen. "Solch ein Projekt kann nur durch internationale Zusammenarbeit gelingen," erklärt Prof. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. Neben der "Polarstern" entsteht auf dem mindestens 1,5 Meter dicken Eis ein Netzwerk aus verschiedenen Forschungscamps. Hier richten die verschiedenen Teams Messpunkte ein, um den Ozean, das Eis und die Atmosphäre sowie das arktische Leben im Winter zu erforschen. "Was in der Arktis passiert, bleibt nicht in der Arktis. Die Klimaentwicklung in unseren Breitengraden hängt entscheidend von den Ereignissen in der arktischen Wetterküche ab. Wir müssen jetzt hinschauen und die Wechselwirkung zwischen Atmosphäre, Eis und Ozean dort untersuchen," sagt Expeditionsleiter und Koordinator des MOSAiC-Projekts Prof. Markus Rex, Leiter der Atmosphärenforschung am Alfred-Wegener-Institut. "Und die arktische Polarnacht spielt eine Schlüsselrolle bei der Anpassung des Lebens, so dass wir auch für die Biologie ganz neue Erkenntnisse erwarten," ordnet Boetius das Großprojekt ein. Die Expedition hat fünf Forschungsschwerpunkte: die Physik von Meereis und Schneedecke, die Prozesse in der Atmosphäre und im Ozean, die biogeochemischen Kreisläufe und das Ökosystem der Arktis.

Die Arktis gilt als Frühwarnsystem für den Klimawandel. Das dunkle Wasser absorbiert mehr Energie als Eis, das die Sonnenstrahlen reflektiert, und das dünnere Eis bringt mehr Wärme aus dem relativ warmen Ozean an die Oberfläche und in die Atmosphäre. So verstärken Rückkopplungseffekte die Erwärmung der Arktis erheblich. Die Beobachtungen fehlen, um die einzelnen Prozesse im Ozean, im Meereis und in der Atmosphäre sowie ihre Wechselwirkungen zu verstehen und sie in Klimamodellen quantitativ zu beschreiben. "Die Dramatik der Erwärmung in der Arktis wird in den heutigen Klimamodellen nicht vollständig widergespiegelt und die Unsicherheiten in den Klimavorhersagen für die Arktis sind enorm," beschreibt Markus Rex die aktuellen Lücken. "Deshalb müssen wir die Prozesse des Klimawandels untersuchen, vor allem im Winter", sagt der AWI-Atmosphärenforscher. Und was in der Arktis passiert, wirkt sich schon heute auf Europa, Asien und Nordamerika aus: Geringere Temperaturunterschiede zwischen der Arktis und den Tropen destabilisieren die typischen Luftdruckmuster, so dass polare Kaltluft die gemäßigten Breiten erreicht und warme, feuchte Luft in die zentrale Arktis eindringt, um den Erwärmungsbeitrag zu beschleunigen.