Tauchen im Unterwassergeysir

Ein ganz besonderer Tauchplatz in Island

Unser Tauchausflug beginnt auf einem gecharterten Kutter. Am Tauchplatz beginnen wir mit einem großen Schritt über Bord in das Wasser eines Fjords. Wir tauchen an einer Boje ab. Das Seil führt geradewegs auf den Grund des Fjords, aber in einer Tiefe von etwas mehr als 30 Metern gibt es ein Verbindungsseil, das direkt zum geothermischen Schlot namens Strýtan führt. Dieser steigt aus einer Tiefe von etwa 70 Metern bis auf 15 Meter Wasser auf und "spuckt" heißes Wasser in den eiskalten Atlantik.

Wir tauchen im Kreis um das faszinierende Bauwerk herum. Der Schlot sieht aus wie ein Stalagmit, der viel zu groß ist. Hier gibt es Schwärme von Dorschen und Seelachsen und eine Kolonie leuchtend weißer Plumose-Anemonen ist ein echter Hingucker. Langsam tauchen wir unseren Weg nach oben. An verschiedenen Stellen fließt warmes Wasser, das von den abgelagerten Felsen schimmert. An der Spitze wird es richtig spektakulär. Weiße Mineral- und Sedimentschichten umgeben den Schlot. Kein Zweifel, der Schlot wächst noch immer Zentimeter für Zentimeter. Das heiße Wasser sprudelt aus den Öffnungen und erzeugt einen leichten Aufwärtssog. Heiß und kalt direkt nebeneinander - das ist der Kontrast, der Island so besonders macht. Diesmal allerdings an einem Ort, den nur sehr wenige gesehen haben und der den meisten Urlaubern auch weiterhin verborgen bleiben wird!

Seitdem Forscher vor etwa 30 Jahren begonnen haben, den Lebensraum Tiefsee gezielt zu erforschen, wurden viele spannende Entdeckungen gemacht. Viele seltsame Fische und Kopffüßer wurden von den Kameras der Tauchroboter und U-Boote eingefangen, und vor allem im Bereich des unterseeischen Gebirgszuges Mittelatlantischer Rücken wurden sogenannte Schwarze Raucher entdeckt - geothermische Schlote, aus denen kochend heißes Wasser und allerlei hochkonzentrierte Mineralien sprudeln. Zur großen Überraschung der Wissenschaftler waren diese eigentlich sehr lebensfeindlichen Regionen keineswegs unbewohnt - ganz im Gegenteil: Offensichtlich hatte sich um diese Schlote herum eine hochspezialisierte Fauna entwickelt, die die Energie aus dem Erdinneren gezielt nutzen konnte. Die Bakterien betrieben Chemosynthese, das Äquivalent zur Photosynthese. Bisher dachte man, dass die Umwandlung von Kohlendioxid aus dem Sonnenlicht in Biomasse (Pflanzen) bis auf einige Ausnahmen die einzige Quelle des Lebens auf unserem Planeten ist. Man ging davon aus, dass auch die Tiefsee "am Tropf" der lichtdurchfluteten oberen Wasserschichten hängt und nur der Abfall, der dort unten absinkt, dort verwertet wird.

Plötzlich sahen sich die Wissenschaftler aber mit ganz neuen Aspekten konfrontiert, denn wenn hier unten Bakterien in der Lage wären, Energie aus Schwefel direkt umzuwandeln und wiederum als Nahrungsquelle für Garnelen, Röhrenwürmer und andere Bewohner von Heißwasserschloten dienten, dann würde man dies als ein Biotop definieren, das mehr oder weniger unabhängig vom Rest der Welt oder unabhängig von dem Teil der Welt, der auf Sonnenlicht angewiesen ist, existiert.

Abgesehen von meinen Gedanken genieße ich einfach den Tauchgang, die Schwerelosigkeit, mit der wir den steil aufsteigenden Schlot erkunden können, und das fantastische Phänomen, dass mitten in einem eisigen Fjord in der Arktis warmes oder sogar heißes Wasser aus dem Meeresboden sprudelt.

Später wird mir jedoch klar, was für ein außergewöhnlicher Ort das ist. Es kommt mir fast so vor, als wäre der Schlot ein Botschafter aus der Tiefsee, der dort aufgewachsen ist, um uns eine Vorstellung von den Wundern zu geben, die man in den Tiefen der Ozeane finden kann.