Taucher vereiteln die Geisternetzplage im Nordseeschutzgebiet

Mehr als eine Tonne Fischernetze haben Taucher der Ghost Fishing Foundation während einer zehntägigen Säuberungsaktion vor Sylt in der Nordsee geborgen. An Bord des Greenpeace-Schiffs Arctic Sunrise bargen die Taucher gerissene, verlassene oder weggeworfene Fischernetze (sogenannte "Geisternetze") am Sylter Außenriff. Wenn sie im Meer zurückgelassen werden, werden diese Geisternetze zur Todesfalle für Fische und andere Meerestiere, die sich darin verfangen. Deutschland fällt derzeit nicht unter die EU-Gesetzgebung, die die Bergung und Entsorgung solcher Netze regelt. "Bundesfischereiminister Christian Schmidt darf nicht länger wegschauen: Geisternetze sind real und eine Bedrohung für die Meere. Es ist seine Aufgabe, unsere Meere zu schützen", sagte Greenpeace-Meeresexperte Thilo Maack auf Deutsch. Die EU-Vorschriften besagen, dass es illegal ist, Fanggeräte auf See zu entsorgen. Wenn Netze verloren gehen, müssen sie gemeldet werden und die für die Fischerei zuständigen Behörden sind dann dafür verantwortlich, sie wiederzufinden. Dies fällt unter die Gemeinsame Fischereipolitik (GFP) der EU, die für Deutschland rechtsverbindlich ist. Allerdings wurde dieser Teil der GFP in Deutschland nicht umgesetzt. Kilometerlange Geisternetze bedrohen das Leben von Meeresbewohnern Laut einer Studie der FAO (Food and Agricultural Organization) landen jedes Jahr bis zu 25.000 Fischernetze in europäischen Gewässern. Sie fallen entweder bei rauem Wetter von den Fischereifahrzeugen oder werden absichtlich weggeworfen. In jedem Fall haben sie fatale Folgen für die Meeresbewohner, die sich in den kilometerlangen Netzen verfangen und darin umkommen. Allein in europäischen Gewässern können solche Netze jedes Jahr bis zu 1.250 Kilometer lang sein - das entspricht fast der Strecke von Hamburg nach Rom. Es kann bis zu 600 Jahre dauern, bis sich die Plastiknetze zersetzen. Im Laufe der Zeit zerfallen die Netze nach und nach in kleinere Fragmente, das sogenannte Mikroplastik, das die Meeresumwelt weiter belastet und für die Meeresbewohner, die es verzehren, gefährlich ist. Das Mikroplastik tötet nicht nur die Meereslebewesen, sondern gelangt auch in die Nahrungskette und kann auf unseren Tellern landen. "Das Meer ist keine Müllhalde. Fischereien, deren Geschäft von gesunden Ozeanen abhängt, sollten sich dessen bewusst sein und entsprechend handeln", so Maack. Bis zu 13 Millionen Tonnen Plastikmüll gelangen in die Ozeane. Etwa ein Zehntel der mehr als eine Million Tonnen wird von der Fischerei erzeugt. Das entspricht dem Gewicht von etwa 5.000 ausgewachsenen Blauwalen. Mehr über die Geisternetze herausfinden Um mehr über die Ergebnisse der Bergungsaktion zu erfahren, gingen wir am Pfingstwochenende an Bord der ArcticSunrise, als sie von den Einsätzen in der Hansestadt in den Hamburger Hafen einlief. Einige der geborgenen Geisternetze konnten an Bord besichtigt werden. Laut der Greenpeace-Meeresexpertin Sandra Schöttner hatten sie einige besonders fiese Plastikfasern inmitten der Netze geborgen, so wie die Dolly-Ropes, die am Boden der Fischernetze befestigt werden, um zu verhindern, dass Steine oder Muschelbänke die Netze beschädigen. Das Problem mit den Dolly-Roils ist, dass sie beim Kontakt mit dem Meeresboden leicht reißen und auf dem Meeresgrund landen. Meerestiere verschlucken sich oft an den Dolly Ropes oder werden von ihnen stranguliert oder verletzt. Im vergangenen Dezember hatte Greenpeace ein Projekt gestartet, um Plastikmüll aus den Vogelnestern im Naturschutzgebiet Lummenfelsen zu bergen. Ein Großteil des Mülls bestand aus den Überresten der Dolly Seile. Die Lösung des massiven Problems mit einem einfachen Werkzeug Ebenfalls an Bord der Arctic Sunrise war Cas Renooij von der Ghost Fishing Foundation. Er ist nicht nur Schatzmeister der Organisation, sondern hat auch an der Bergung der Geisternetze am Sylter Außenriff mitgewirkt. Als er uns von seinen Erfahrungen berichtete, sagte er, dass es wichtig sei, auf die Gezeiten zu achten, da das Tauchen in den Backwaters aufgrund der Strömung nur alle sechs Stunden möglich sei. Insgesamt waren acht Taucherinnen und Taucher an der Aktion beteiligt, bei der drei Schiffswracks in einer Tiefe von 25 bis 30 Metern betaucht wurden. Als wir ihn fragten, ob er einen Tauchcomputer benutzt, lächelte er und sagte: "Nein, wir benutzen eine Tauchtabelle; ein Tauchgang dauert etwa 30 bis maximal 40 Minuten. Das Einzige, was unsere Männer haben, ist ein Bottom-Timer." Neugierig fragten wir, ob die Taucher spezielle Werkzeuge benutzen, um die Netze zu durchtrennen. Darauf antwortete Renooij mit einem Lächeln: "Wir brauchen nur ein sehr langes Messer mit einer gezackten Schneide, damit können wir ein dickes Seil in Sekundenschnelle durchschneiden." Auf die Frage nach seinen Zukunftsplänen sagte Renooij, dass er ein kleines Projekt in Spanien unterstützen wird, um die dortigen Taucher/innen auf die Geisternetze aufmerksam zu machen, damit sie selbst Bergungsaktionen starten können. Im Moment wartet die Arctic Sunrise auf ihre nächste mutige Mission. Wie Sprecherin Melanie Aldrian sagte: "Bald wird sie auf die Meere zurückkehren; wenn es um den Schutz unserer Meeresschutzgebiete geht - lasst euch überraschen." Am 3. und 4. Juni 2016 wird die Arctic Sunrise in Bremen sein, um die Öffentlichkeit über ihre aktuellen Kampagnen zum Schutz der Meere zu informieren.