Forscher rekonstruieren die Geschichte des Meeresspiegels

Fossile Korallenriffe als Schlüssel zu 6000 Jahren Entwicklung

Der Meeresspiegel steigt nach aktuellen Prognosen zwischen 80 und 180 Zentimetern bis zum Ende des Jahrhunderts. Für eine detaillierte Folgenabschätzung ist es wichtig zu wissen, wie sich der Meeresspiegel in der jüngeren geologischen Geschichte verhalten hat. In einer neuen Studie hat ein internationales Forscherteam jetzt erstmals eine zentimetergenaue Rekonstruktion des Meeresspiegels im zentralen Pazifik über die letzten 6.000 Jahre veröffentlicht.

Der derzeit weltweit steigende Meeresspiegel ist eine direkte Folge des Klimawandels. Nach aktuellen Berechnungen sorgen schmelzende Gletscher und die Erwärmung des Ozeanwassers dafür, dass der Meeresspiegel bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 80 bis 180 Zentimeter höher sein wird. Diese Zahlen spiegeln aber nur regionale Entwicklungen wider. Wenn du genau wissen willst, wie sich das Volumen des Meerwassers verändert, brauchst du genauere Informationen über die Dynamik des Meeresspiegels über lange Zeiträume hinweg. Ein Blick in die Vergangenheit kann dabei helfen. Denn in früheren Jahrtausenden war der Meeresspiegel selten konstant, die ständige Veränderung hingegen war die Regel.

In der internationalen Fachzeitschrift Nature Communications hat eine Gruppe von Forschern aus Frankreich, der Schweiz, Kanada und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel jetzt eine zentimetergenaue Geschichte des Meeresspiegels im zentralen Pazifik über die letzten 6.000 Jahre veröffentlicht.

Für ihre Studie untersuchten die Forscherinnen und Forscher im Zeitraum von 2012 bis 2015 Mikroatolle auf zwölf südpazifischen Inseln, die von speziellen Steinkorallen der Gattung Porites gebildet werden. Diese Miniaturatolle haben einen Durchmesser zwischen zehn Zentimetern und acht Metern. "Fossile Korallenriffe werden seit langem als Zeugen für frühere Wasserstände verwendet, weil sie nur relativ nah an der Wasseroberfläche wachsen. Aber die Genauigkeit ist begrenzt, weil der Wachstumsbereich meist zwischen 0 und 20 Metern unter Wasser liegt", erklärt Prof. Dr. med. Anton Eisenhauer vom GEOMAR, einer der Mitautoren der Studie.

Die Korallen der Gattung Porites hingegen wachsen direkt an der Wasseroberfläche und dann horizontal an der Grenze zwischen Wasser und Luft weiter. "Dass wir sie zum ersten Mal als Meeresspiegelindikator verwendet haben, war entscheidend für die genaue Aussage über die Höhe des Meeresspiegels in der Vergangenheit", erklärt Eisenhauer. Allerdings musste das Fossil, das heute teilweise über der Wasserlinie liegt, auch genau datiert werden. Die Forscherinnen und Forscher konnten das Alter der Proben auf wenige Dutzend Jahre oder sogar Jahre genau bestimmen. Dazu verwenden sie die sogenannte Uran-Thorium-Methode, die darauf beruht, dass die Anteile der Elemente Uran und Thorium in den Proben mit den Anteilen zur Zeit der Entstehung der Koralle verglichen werden.

Die Analyse der Daten zeigt, dass der Meeresspiegel in Französisch-Polynesien zwischen 6000 und 4000 Jahren vor heute stetig angestiegen ist, bis er einen Höchstwert etwa einen Meter über dem heutigen Niveau erreichte. Seitdem ist der Meeresspiegel wieder gesunken. Das ist der Grund für die Existenz der tropischen Inselwelt mit zahlreichen Korallenatollen im Pazifik und im Indischen Ozean. Das Steigen und Fallen spiegelt das Schmelzen der Eiskappen und die Dynamik des antarktischen Packeises wider. Die tatsächliche Dynamik des Ozeanvolumens seit dem letzten Meeresspiegelanstieg lässt sich durch komplexe mathematische Berechnungen aus der gewonnenen Meeresspiegelkurve errechnen.

Die Daten zeigen, dass der Meeresspiegel auch nach dem klimatischen Höhepunkt und dem Maximum der Sonneneinstrahlung vor 6000 Jahren um weitere 1,5 bis 2,5 Meter gestiegen ist, und zwar mit einer Rate zwischen 0,3 und 0,5 Millimetern pro Jahr. "Es wird angenommen, dass dieser zusätzliche Beitrag durch Schmelzwassereinträge aus dem schmelzenden Packeis der Antarktis stammt. Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Meeresspiegel in den letzten 6.000 Jahren nur maximal 300 Jahre lang in engen Grenzen stabil geblieben ist, ansonsten aber eine hohe Dynamik aufweist", sagt Professor Eisenhauer.

Diese Erkenntnisse werden auch in zukünftige Schätzungen für die Höhe des zu erwartenden Meeresspiegels einfließen. "Der aktuelle, vom Menschen verursachte Anstieg unterscheidet sich jedoch in einem Faktor von den erdgeschichtlichen Ereignissen: Er ist viel schneller", betont Professor Eisenhauer.

Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41467-017-02695-7.